Die Grundsteuer-Reform trifft Millionen Eigentümer härter als versprochen. Viele zahlen hunderte Euro mehr pro Jahr. Wir erklären, was wirklich dahintersteckt und wie Sie sich wehren können.
Die schockierende Wahrheit über die neue Grundsteuer
Seit 1. Januar 2025 gilt die reformierte Grundsteuer in ganz Deutschland. Was die Politik als aufkommensneutral verkaufte, entpuppt sich für viele Eigentümer als böse Überraschung. Laut aktueller Auswertung von Haus & Grund zahlen 66,5 Prozent aller Eigentümer mehr als vorher.
Die Zahlen sind erschreckend: Im Durchschnitt steigt die Grundsteuer von 522 Euro auf 830 Euro pro Jahr. Das ist ein Plus von 308 Euro. Doch Einzelfälle zeigen noch drastischere Steigerungen. In Nordrhein-Westfalen explodierte die Grundsteuer eines Eigentümers von 350 Euro auf 3.900 Euro. Das ist eine Steigerung von über 1.000 Prozent.
Warum die Reform überhaupt notwendig wurde
Das Bundesverfassungsgericht zwang den Gesetzgeber 2018 zum Handeln. Die bisherige Berechnung war verfassungswidrig. Sie basierte auf völlig veralteten Einheitswerten aus den Jahren 1964 im Westen und 1935 im Osten.
Seitdem haben sich Immobilienwerte extrem unterschiedlich entwickelt. Zwei identische Häuser nebeneinander konnten völlig unterschiedliche Grundsteuern haben. Das verstieß gegen das Gleichbehandlungsgebot im Grundgesetz.
Die Karlsruher Richter gaben dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2024. Ab 2025 musste eine neue Berechnungsgrundlage gelten. Knapp 36 Millionen Grundstücke in Deutschland mussten neu bewertet werden. Eine Mammutaufgabe für die Finanzämter.
So wird die neue Grundsteuer berechnet
Die Berechnungsformel bleibt grundsätzlich gleich: Grundsteuerwert × Steuermesszahl × Hebesatz = Grundsteuer. Doch die Details ändern sich massiv.
Der Grundsteuerwert wird jetzt nach aktuellen Bodenrichtwerten berechnet. Diese spiegeln die Preisentwicklung der letzten Jahrzehnte wider. In gefragten Innenstadtlagen sind die Werte explodiert. Auf dem Land stiegen sie weniger stark.
Die Steuermesszahl wurde abgesenkt. Für Wohnimmobilien liegt sie bei 0,31 Promille statt wie früher deutlich höher. Das sollte die Wertsteigerungen ausgleichen. In der Praxis funktioniert das nicht überall.
Der Hebesatz wird von den Kommunen festgelegt. Hier liegt das eigentliche Problem. Viele Gemeinden nutzen die Reform, um ihre Einnahmen zu erhöhen. Sie setzen den Hebesatz höher als nötig an.
Regionale Unterschiede sind enorm
Die Belastung variiert extrem je nach Wohnort und Immobilientyp. Berlin verzeichnet die stärksten Steigerungen mit durchschnittlich 118,6 Prozent. Bayern und Saarland kommen glimpflicher davon mit rund 60 bis 70 Prozent Erhöhung.
In Innenstadtlagen wird Wohnen deutlich teurer. Das Bundesmodell berücksichtigt Bodenrichtwerte und Nettokaltmieten. Beides ist in Städten viel höher als auf dem Land. Einfamilienhäuser auf großen Grundstücken in teuren Lagen trifft es besonders hart.
Auf dem Land könnte die Grundsteuer sogar sinken. Dort sind Bodenrichtwerte und Immobilienwerte niedriger. Etwa 26 Prozent der Eigentümer zahlen weniger als vor der Reform. Weitere 6,8 Prozent zahlen fast genau gleich viel.
Das Bundesmodell vs. Landesmodelle
Deutschland hat keinen einheitlichen Berechnungsweg. Fünf Bundesländer gingen eigene Wege: Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen führten Landesgesetze ein.
Bayern wählte das einfachste Modell. Hier zählt nur die Grundstücksfläche. Gebäudewert, Alter und Lage spielen keine Rolle. Das ist transparent und einfach zu berechnen. Kritiker bemängeln jedoch fehlende Differenzierung.
Das Bundesmodell ist komplexer. Es berücksichtigt Bodenrichtwerte, statistische Nettokaltmieten, Grundstücksfläche und Gebäudealter. Das soll gerechter sein, ist aber fehleranfälliger und schwerer nachvollziehbar.
Alle anderen Bundesländer nutzen das Bundesmodell. Saarland und Sachsen modifizierten nur die Steuermesszahlen. Berlin kündigte vergleichbare Anpassungen an.
Warum Aufkommensneutralität gescheitert ist
Die Politik versprach Aufkommensneutralität. Das sollte heißen: Die Kommunen nehmen insgesamt nicht mehr Grundsteuer ein als vorher. Nur die Verteilung ändert sich.
Dieses Versprechen wurde vielerorts gebrochen. Viele Städte und Gemeinden erhöhten die Hebesätze stärker als nötig. Sie nutzten die Reform zur verdeckten Steuererhöhung. Besonders Kommunen mit knappen Kassen griffen zu.
Die Städte argumentieren mit gestiegenen Kosten. Inflation, Energiekrise und Flüchtlingsunterbringung belasten die Haushalte. Die Grundsteuer als wichtigste Einnahmequelle bietet sich an. Sie bringt den Kommunen jährlich über 15 Milliarden Euro.
Laut Haus & Grund stieg oder blieb die Steuerlast in 79 Prozent der Fälle gleich. Nur 21 Prozent verzeichnen eine Reduktion. Von Aufkommensneutralität kann keine Rede sein.
Diese Eigentümer trifft es besonders hart
Besitzer von Einfamilienhäusern auf großen Grundstücken in teuren Lagen zahlen am meisten drauf. Sie profitieren nicht von den niedrigeren Steuermesszahlen für Wohnraum. Ihr Bodenrichtwert ist extrem gestiegen.
Eigentümer in Ostdeutschland erleben teilweise Verdoppelungen oder Verdreifachungen. Grund: Die alten Einheitswerte von 1935 waren lächerlich niedrig. Die Anpassung an heutige Wertverhältnisse fällt extrem aus.
Inhaber von Mehrfamilienhäusern zahlen oft vierstellige Beträge. Eine Studie zeigt: Bei Anwendung alter Hebesätze würde die Grundsteuer für Mietshäuser von 5.611 auf 11.057 Euro steigen. Mit angepassten Hebesätzen sinkt sie, bleibt aber hoch.
Eigentümer baureifer, unbebauter Grundstücke müssen besonders aufpassen. Kommunen dürfen für sie die Grundsteuer C erheben. Diese kann deutlich höher liegen als die normale Grundsteuer B.
Die Folgen für Mieter
Mieter sind indirekt betroffen. Vermieter dürfen die Grundsteuer vollständig als Betriebskosten umlegen. Das ist gesetzlich zulässig und ändert sich durch die Reform nicht.
Steigt die Grundsteuer, steigen die Nebenkosten. Bei Mietshäusern können das mehrere hundert Euro pro Jahr sein. Geteilt durch alle Wohnungen bleibt es meist im Rahmen. Doch in Summe wirkt sich das aus.
Vermieter müssen die Grundsteuer nicht umlegen. Einige verzichten darauf, um Mieter zu entlasten. Doch das ist die Ausnahme. Die meisten Mietverträge sehen die Umlage vor.
Für Mieter in Eigentumswohnungen oder Mehrfamilienhäusern gibt es aber auch gute Nachrichten. Diese Immobilien zahlen tendenziell weniger Grundsteuer als vor der Reform. Davon könnten Mieter über niedrigere Nebenkosten profitieren.
Einspruch einlegen: So wehren Sie sich
Viele Eigentümer können gegen zu hohe Grundsteuerbescheide vorgehen. Der Bund der Steuerzahler rät zu generellem Einspruch. Die Frist beträgt einen Monat nach Erhalt des Bescheids.
Prüfen Sie zuerst die Bescheide vom Finanzamt. Sie erhalten zwei Stück: Den Grundsteuerwertbescheid und den Grundsteuermessbescheid. Kontrollieren Sie alle Angaben genau. Fehler passieren häufig.
Achten Sie besonders auf: Bodenrichtwerte, Grundstücksfläche, Wohnfläche, Baujahr und Nutzungsart. Sind diese Werte falsch, führt das zu überhöhter Steuer. Beantragen Sie eine fehlerbeseitigende Fortschreibung beim Finanzamt.
Gegen den kommunalen Hebesatz können Sie nur schwer vorgehen. Erfolg haben Sie nur bei „erdrosselnder Wirkung“. Das ist der Fall, wenn die Steuer Sie in existenzielle Not bringt. Die Hürde liegt extrem hoch.
Verfassungsklagen laufen bereits
Über 2.000 Klagen gegen die neue Grundsteuer sind bundesweit anhängig. Der Bundesfinanzhof prüft aktuell drei Revisionsverfahren zum Bundesmodell. Die Urteile werden im Dezember 2025 verkündet.
Es geht um die Frage, ob die Bewertungsregeln des Bundesmodells verfassungsgemäß sind. Eigentümerverbände wie Haus & Grund kritisieren die Reform als „Grundsteuer-Ungeheuer“. Sie unterstützen Musterklagen.
Einige Finanzgerichte urteilten bereits. Das Finanzgericht Köln sieht keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch die Gerichte in Sachsen und Berlin-Brandenburg winkten das Bundesmodell durch. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz äußerte jedoch Zweifel.
Die Landesmodelle werden 2026 vom Bundesfinanzhof geprüft. Auch hier laufen hunderte Klagen. Wird ein Modell gekippt, müssen Bescheide neu berechnet werden.
Erlassantrag bei Härtefällen möglich
In besonderen Härtefällen können Sie einen Erlassantrag stellen. Das ist möglich, wenn die Grundsteuer Ihre Existenz bedroht. Das Oberverwaltungsgericht NRW urteilte: Die Grundsteuer darf Sie nicht auf Sozialhilfeniveau drücken.
Ein Erlassantrag kommt infrage bei: Niedriger Rente, Arbeitslosigkeit, schwerer Krankheit, Tod des Partners oder anderen existenzbedrohenden Situationen. Sie müssen nachweisen, dass die Zahlung Ihren Lebensunterhalt gefährdet.
Für übergroße Grundstücke, die der Öffentlichkeit als Park dienen, gibt es Sonderregelungen. Paragraph 32 des Grundsteuergesetzes ermöglicht einen Erlass. Die Hürden sind jedoch hoch.
Mitglieder im Bund der Steuerzahler erhalten Unterstützung. Der Verband berät zu Einsprüchen und Erlassanträgen. Er führt auch Musterprozesse gegen die Reform.
Was Kommunen jetzt tun sollten
Städte und Gemeinden haben die Macht, die Belastung zu steuern. Sie sollten differenzierte Hebesätze nutzen. Rheinland-Pfalz erlaubt das seit Februar 2025. Kommunen dürfen verschiedene Sätze für Wohn- und Nicht-Wohngrundstücke festlegen.
Das entlastet Wohneigentümer und belastet Gewerbeimmobilien stärker. Nordrhein-Westfalen senkte die Steuermesszahl für Wohnimmobilien um 26 Prozent. Das schafft Entlastung von 850.000 Bescheiden.
Transparenz ist entscheidend. Viele Bundesländer veröffentlichten „faire Hebesätze“. Das sind Empfehlungen, wie Kommunen Aufkommensneutralität erreichen. Bürger können so prüfen, ob ihre Stadt sich daran hält.
Leipzig senkte den Hebesatz für Grundsteuer B von 650 auf 450 Prozent. Das ist vorbildlich. Andere Städte erhöhten hingegen massiv. Oberursel verdoppelte die Pro-Kopf-Belastung von 190 auf 420 Euro.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Warum ist meine Grundsteuer so stark gestiegen?
Drei Gründe sind entscheidend: Erstens wurden die Bodenrichtwerte an aktuelle Marktwerte angepasst. In gefragten Lagen sind diese explodiert. Zweitens nutzen viele Kommunen höhere Hebesätze als vor der Reform. Drittens trifft das Bundesmodell bestimmte Immobilientypen härter als andere.
Was bedeutet Aufkommensneutralität wirklich?
Aufkommensneutralität heißt: Die Gemeinde nimmt insgesamt nicht mehr Grundsteuer ein als vorher. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Eigentümer gleich viel zahlt. Einige zahlen mehr, andere weniger. Die Verteilung ändert sich.
Kann ich gegen meinen Grundsteuerbescheid Einspruch einlegen?
Ja, Sie können innerhalb eines Monats Einspruch einlegen. Der erste Einspruch ist kostenlos. Prüfen Sie die Bescheide vom Finanzamt genau auf Fehler bei Bodenrichtwert, Flächen oder Nutzungsart. Gegen den Hebesatz der Kommune vorzugehen ist schwieriger.
Welche Bundesländer haben eigene Berechnungsmodelle?
Fünf Bundesländer führten Landesmodelle ein: Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Sie weichen vom Bundesmodell ab. Bayern nutzt ein reines Flächenmodell. Die anderen Länder haben unterschiedliche Varianten entwickelt.
Warum zahlen Mieter mehr Nebenkosten?
Vermieter dürfen die Grundsteuer vollständig auf Mieter umlegen. Das ist gesetzlich erlaubt und ändert sich nicht. Steigt die Grundsteuer des Vermieters, steigen die Nebenkosten. Bei Mehrfamilienhäusern verteilt sich die Erhöhung auf alle Wohnungen.
Was passiert, wenn das Bundesmodell verfassungswidrig ist?
Der Bundesfinanzhof verkündet im Dezember 2025 sein Urteil. Wird das Bundesmodell gekippt, müssen Bescheide neu berechnet werden. Das gilt auch für Eigentümer, die keinen Einspruch eingelegt haben. Die Kommunen müssten dann neue Hebesätze festlegen.
Gibt es Freibeträge oder Ermäßigungen?
Freibeträge im klassischen Sinn gibt es nicht. Denkmalgeschützte Gebäude erhalten Ermäßigungen bei der Steuermesszahl. Auch für „normale Wohnlagen“ gibt es Abschläge. Wer in existenzieller Not ist, kann einen Erlassantrag stellen.
Fazit
Die Grundsteuer-Reform bleibt umstritten. Viele Eigentümer fühlen sich getäuscht vom Versprechen der Aufkommensneutralität. Die laufenden Verfassungsklagen könnten alles ändern.
Für Eigentümer bleibt der Rat: Bescheide genau prüfen, bei Fehlern Einspruch einlegen und die Rechtsentwicklung beobachten. Die Reform wird uns noch Jahre beschäftigen. Wohnen in Deutschland ist durch diese Reform deutlich teurer geworden.