Die Industrialisierung markiert einen der bedeutendsten Wendepunkte in der Menschheitsgeschichte. Sie veränderte nicht nur die Art, wie wir Güter produzieren, sondern formte auch unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt grundlegend neu. Vom einfachen Handwerk zur automatisierten Massenproduktion – dieser historische Prozess begann im 18. Jahrhundert und setzt sich in Form der Digitalisierung bis heute fort.
Was ist Industrialisierung?
Industrialisierung bezeichnet den Prozess, während dessen sich ein Agrarstaat zu einem Industriestaat entwickelt. Es handelt sich um technisch-wirtschaftliche Prozesse des Übergangs von agrarischen zu industriellen Produktionsweisen, in denen sich die maschinelle Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen durchsetzt.
Eine typische Fabrikhalle während der frühen Industrialisierung im 19. Jahrhundert
In Agrarstaaten arbeiten typischerweise etwa 70% der Beschäftigten im primären Sektor (Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft), 20% im sekundären Sektor (Handwerk, Baugewerbe) und nur 10% im tertiären Sektor (Dienstleistungen). Die Industrialisierung verschiebt diese Verhältnisse grundlegend.
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Historische Phasen der Industrialisierung
Die Erste Industrielle Revolution (ca. 1760-1840)
England gilt als Geburtsort der Industriellen Revolution. Hier begann ab 1765 ein wirtschaftlicher Umschwung, der sich zunächst durch sinkende Getreideexporte ankündigte. Die Erfindung der Dampfmaschine durch Thomas Newcomen (1712) und ihre entscheidende Weiterentwicklung durch James Watt (1769) revolutionierte die Produktion.

James Watt (1736-1819), dessen verbesserte Dampfmaschine die Industrialisierung entscheidend vorantrieb
Weitere Schlüsselinnovationen dieser Phase waren die Spinnmaschine (Spinning Jenny), der mechanische Webstuhl (1785) und das Puddelverfahren zur Eisengewinnung. Die Erfindung der Dampflokomotive (1804) und der ersten öffentlichen Eisenbahnen markierten das Ende dieser ersten Phase.
Die Zweite Industrielle Revolution (ca. 1870-1914)
Diese Phase war geprägt durch die Nutzung von Elektrizität, die Entwicklung des Verbrennungsmotors und den Beginn der Massenproduktion. Die Stahlindustrie expandierte, und neue Branchen wie die chemische Industrie und die Elektrotechnik entstanden.

Fließbandproduktion – Symbol der zweiten Phase der Industrialisierung
Die Dritte Industrielle Revolution (ca. 1970-2000)
Gekennzeichnet durch die Automatisierung von Produktionsprozessen, den Einsatz von Elektronik und Informationstechnologie. Computer und Roboter hielten Einzug in die Fabriken.
Die Vierte Industrielle Revolution (ab 2000)
Auch als „Industrie 4.0“ bezeichnet, verbindet sie die physische mit der digitalen Welt. Kennzeichnend sind vernetzte Produktionssysteme, künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und Big Data.

Industrie 4.0: Roboter und digitale Vernetzung prägen die aktuelle Phase der Industrialisierung
Zeitleiste der Industrialisierung
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Technologische Schlüsselinnovationen
Die Dampfmaschine

Die von James Watt verbesserte Dampfmaschine ermöglichte erstmals die Nutzung von Wärmeenergie für mechanische Arbeit in großem Maßstab. Sie befreite die Produktion von natürlichen Energiequellen wie Wind und Wasser.
Das Fließband

Die von Henry Ford perfektionierte Fließbandproduktion revolutionierte die Herstellung komplexer Produkte. Sie ermöglichte eine drastische Steigerung der Produktivität und senkte die Kosten erheblich.
Die Elektrifizierung

Die Nutzung elektrischer Energie ermöglichte flexiblere Fabrikgestaltung, verbesserte Arbeitsbedingungen und neue Produktionsprozesse. Sie bildete die Grundlage für die zweite industrielle Revolution.
„Die Dampfmaschine hat mehr zur Veränderung der Welt beigetragen als alle Philosophen, Prediger und Politiker zusammen.“

Entwicklung der Produktivität während der verschiedenen Phasen der Industrialisierung
Wirtschaftlicher Wandel durch die Industrialisierung
Entstehung des modernen Kapitalismus
Die Industrialisierung förderte die Entwicklung des Kapitalismus als dominierendes Wirtschaftssystem. Große Mengen an Kapital wurden für Maschinen, Fabriken und Infrastruktur benötigt, was zur Entstehung von Aktiengesellschaften und einem modernen Bankwesen führte.

Historische Börse als Symbol des aufkommenden Kapitalismus
Globalisierung der Wirtschaft
Mit verbesserten Transportmitteln wie Dampfschiffen und Eisenbahnen entwickelte sich ein globales Handelsnetz. Rohstoffe wurden aus Kolonien importiert, Fertigwaren exportiert. Diese frühe Globalisierung schuf neue Abhängigkeiten und Machtstrukturen.

Historischer Hafen mit Dampfschiffen – Symbol der frühen Globalisierung
Strukturwandel der Wirtschaft
Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt sank kontinuierlich, während der industrielle Sektor wuchs. In späteren Phasen der Industrialisierung gewann der Dienstleistungssektor zunehmend an Bedeutung.
Land | Landwirtschaft (% des BIP) | Industrie (% des BIP) | Dienstleistungen (% des BIP) |
England 1700 | 45% | 24% | 31% |
England 1840 | 22% | 34% | 44% |
Deutschland 1850 | 51% | 19% | 30% |
Deutschland 1900 | 35% | 40% | 25% |
Deutschland heute | 1% | 30% | 69% |
Umweltfolgen der Industrialisierung
Die Industrialisierung hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Umwelt. Mit dem massiven Einsatz fossiler Brennstoffe wie Kohle und später Öl begann der Anstieg der CO2-Emissionen, der bis heute anhält.

Umweltverschmutzung durch Fabriken während der frühen Industrialisierung
Luftverschmutzung
Rauchende Schornsteine wurden zum Symbol der Industrialisierung. In Industriestädten wie Manchester oder dem Ruhrgebiet führte die Luftverschmutzung zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen. Der berüchtigte „Londoner Smog“ kostete noch in den 1950er Jahren tausende Menschen das Leben.
Wasserverschmutzung
Fabriken leiteten ungeklärte Abwässer in Flüsse und Seen. Viele Gewässer wurden zu toten Zonen, in denen kein Fisch mehr leben konnte. Der Rhein galt in den 1970er Jahren als „Kloake Europas“.
Landschaftsveränderung
Der Bergbau und die Schwerindustrie veränderten ganze Landschaften. Wälder wurden abgeholzt, Flüsse begradigt, und durch den Kohleabbau entstanden Mondlandschaften.
Wusstest du? Erst in den 1970er Jahren entstanden in vielen Industrieländern die ersten Umweltministerien und Umweltschutzgesetze als Reaktion auf die zunehmenden Umweltprobleme.
Fazit: Industrialisierung als Grundstein der modernen Welt
Die Industrialisierung hat unsere Welt grundlegend verändert. Sie brachte beispiellosen materiellen Wohlstand, aber auch neue soziale und ökologische Herausforderungen. Heute stehen wir vor der Aufgabe, die Vorteile der industriellen Produktion zu nutzen und gleichzeitig ihre negativen Auswirkungen zu minimieren.

Moderne nachhaltige Industrie – eine Zukunftsvision
Die Geschichte der Industrialisierung lehrt uns, dass technologischer Fortschritt immer auch gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringt. In der heutigen vierten industriellen Revolution stehen wir vor ähnlichen Herausforderungen wie unsere Vorfahren: Wie gestalten wir den Wandel so, dass er möglichst vielen Menschen zugutekommt?
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Häufig gestellte Fragen zur Industrialisierung
Wann begann die Industrialisierung in Deutschland?
Die Industrialisierung in Deutschland begann nach dem Ende des Wiener Kongresses im Juni 1815 mit der Frühindustrialisierung. Basis dieser Entwicklung war zumeist der Aufbau einer Textilindustrie, wie man es beispielhaft am Aufstieg der frühen industriellen Zentren im Tal der Wupper (Barmen und Elberfeld) und im Königreich Sachsen beobachten konnte.
Was waren die wichtigsten Erfindungen der Industrialisierung?
Zu den wichtigsten Erfindungen zählten die Dampfmaschine (1769 von James Watt weiterentwickelt), die Spinnmaschine „Spinning Jenny“, der mechanische Webstuhl (1785), das Puddelverfahren zur Eisengewinnung und die Dampflokomotive (1804). In späteren Phasen kamen Elektrizität, der Verbrennungsmotor und Fließbandproduktion hinzu.
Welche sozialen Probleme entstanden durch die Industrialisierung?
Die Industrialisierung führte zu massiver Urbanisierung mit überfüllten, ungesunden Wohnverhältnissen, extremer Armut (Pauperismus), Ausbeutung von Arbeitern durch niedrige Löhne und lange Arbeitszeiten (bis zu 72 Stunden pro Woche), Kinderarbeit und einer Verschärfung sozialer Ungleichheit. Als Reaktion darauf entstanden Gewerkschaften und später Sozialversicherungssysteme.
Was ist der Unterschied zwischen der ersten und vierten industriellen Revolution?
Die erste industrielle Revolution (ca. 1760-1840) basierte auf der Dampfmaschine und mechanischer Produktion. Die vierte industrielle Revolution (ab 2000) verbindet die physische mit der digitalen Welt durch vernetzte Produktionssysteme, künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und Big Data. Während die erste Revolution mechanische Kraft einführte, geht es in der vierten um intelligente, selbststeuernde Systeme.